Sonntag, 12. Oktober 2014

Warum man Pflegestelle ist / macht

Pflegestelle sein....


Hurra! Wieder eine Pfütze auf dem gerade gewischten Boden und weiter vorne liegt auch noch ein frischer Knödel.... Großartig! Vielen Dank auch!!

Wir waren ja auch erst über eine Stunde draußen in der Walachei spazieren.
Da hattest Du natürlich für solche Banalitäten keine Zeit, denn es gibt so viel Neues zu entdecken.

Bei meinem weiteren Inventur-Rundgang sehe ich, dass mein linker Turnschuh die Nacht auch nicht überlebt hat. Und bitte, ... wo kommen die ganzen Schaumstoff-Flocken her?
Ich verabschiede mich auch von meinem Sofakissen.

Soll ich schimpfen? Lachen? 


Du warst bisher in Deinem Leben nicht vom Glück verfolgt, wurdest getreten, misshandelt, hattest immer Hunger und wurdest, statt gefüttert, fortgejagt.

Gespielt hat keiner mit Dir, denn wenn Du auffordernd geknurrt hast, Hintern in der Luft mit wedelndem Schwanz, hat Dich keiner verstanden und automatisch angenommen, Du bist bösartig. Statt Spielen gab es Tritte oder es wurden Steine geworfen.

Dann hat man Dich eines Tages eingefangen und in eine kalte und meist feuchte und dreckige Zelle gesperrt.

Wind, Regen, Sonne... alles prasselte erbarmungslos auf Dich nieder. Eine ewige Geräuschkulisse Deiner bellenden und jaulenden Kollegen um Dich herum. Keine Ruhe und Hunger hast Du auch immer, denn das Fressen kommt nicht regelmäßig.
Ab und zu wurde Dein Käfig sauber gemacht, aber ein liebes Wort gab es selten.
Immer wieder verschwanden Zellennachbarn von Dir, um Dich herum roch es nach Tod.


Eines Tages sah ich Dein Bild im Internet und dachte, Dich hole ich jetzt da raus, denn ich möchte Dein Sprungbrett für ein gutes Leben für Dich sein.


So kamst Du hierher und hattest erst mal vor allem Angst. Das Innere eines Hauses kanntest Du nicht. Kein Topfklappern, Staubsauger, Sofa, Treppen... alles potentielle Feinde. 
Dafür bin ich da. Ich zeige Dir das alles und mache Dir klar, dass Du davor keine Angst haben musst. (Das mit dem Sofa und dessen Benutzung hast Du sehr schnell kapiert!!)

Ich bringe Dir das Hunde-Einmaleins bei, versuche Dir begreiflich zu machen, warum Du ausgerechnet jetzt Platz machen sollst, warum es nicht höflich ist, Dein Pflegepersonal rücksichtslos an der Leine hinter Dir herzuziehen. Du lernst schnell. Jedenfalls das, was Du lernen willst.

Und das mit den Hinterlassenschaften auf meinen Fliesen... darüber reden wir dann auch noch mal.

Ich sehe, wie Du Dich entwickelst, Dein Fell wieder glänzt und Deine Rippen unter einer kleinen Speckschicht wieder verschwinden.

Ich mache unzählige Fotos von Dir, verteile sie im Internet und da interessieren sich Menschen für Dich. Ein erstes Treffen, ein zweites auch noch... beide Seiten finden sich sympathtisch, ein Vertrag wird gemacht.


Ja, mein kleines Pflegekind. Nun ist es soweit. Ich entlasse Dich, hoffentlich gefestigt genug, in Dein neues Leben und freue mich über die leuchtenden Augen Deines neuen Personals.
Ich bleibe zurück mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Der Abschied fällt sicher nicht leicht, aber ich bleibe mit der Gewissheit zurück, dass ich Dir eine neue Chance habe geben können, Dich aus der Hölle befreit habe und Du nun glücklich über Wiesen tollen kannst, immer Futter in Deinem Napf haben - und wahrscheinlich auch dort auf dem Sofa liegen wirst.

Somit ist bei mir wieder ein Platz freigeworden, um einem anderen Hund die gleiche Chance zu geben.

©Alexandra Hahn